Die Gefährdungsbeurteilung zu Arbeitsstätten, Arbeitsplätzen, Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeiten basiert unter anderem auf §§ 5, 6 Arbeitsschutzgesetz und der Arbeitsstättenverordnung infolge der Umsetzung europäischer Rahmenrichtlinien zum Arbeitsschutz (1989 und 1992), § 3.
Die Gefährdungsbeurteilung beschreibt den Prozess der systematischen Ermittlung und Bewertung aller relevanten Gefährdungen, denen die Beschäftigten im Zuge ihrer beruflichen Tätigkeit ausgesetzt sind.
Die Gefährdungsbeurteilung sollte nach folgenden 7 Handlungsschritten durchgeführt werden (siehe Abbildung).
Das ArbSchG enthält keine konkreten Forderungen zur Vorgehensweise bei der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen. Umfang und Inhalt der Gefährdungsbeurteilungen sind den jeweiligen betrieblichen Bedingungen bzw. Erfordernissen entsprechend festzulegen. Grundsätzlich sollte die Gefährdungsbeurteilung in Verbindung mit der Ableitung erforderlicher Schutzmaßnahmen nach den im Folgenden dargestellten Handlungsschritten durchgeführt werden.
Die Gefährdungsbeurteilung ist in dreierlei Hinsicht Teil der betrieblichen Aufbau- und Ablauforganisation.
Die Planung und ein Gesamtkonzept für die Gefährdungsbeurteilung müssen in die betriebliche Aufbauorganisation integriert und entsprechende Strukturen geschaffen werden. Hierzu müssen Verantwortlichkeiten festgelegt werden, erforderliche zeitliche, sachliche und ggf. finanzielle Ressourcen für die Ermittlung und Beurteilung von Gefährdungen bereitgestellt werden, notwendige Qualifikationen bei den Beteiligten sichergestellt werden, die Zusammenarbeit mit den betrieblichen Arbeitsschutzfachleuten – Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte – festgelegt werden und geeignete Formen zur Beteiligung der Beschäftigten an der Durchführung der Beurteilung implementiert werden.
Darüber hinaus ist die Gefährdungsbeurteilung ein Element der Ablauforganisation. Es sind geeignete Prozesse zu organisieren, um bei allen betrieblichen Entscheidungen und Abläufen Anlässe bzw. Auslöser für eine Gefährdungsbeurteilung identifizieren zu können. Aspekte der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes sind insbesondere in Entscheidungen zu Planungs- und Beschaffungsprozessen, zu Veränderungen von Arbeitssystemen und zu Maßnahmen nach Ereignissen wie Unfällen und Störungen zu integrieren.
Weiterhin leiten sich aus der Gefährdungsbeurteilung Maßnahmen zur Anpassung und Verbesserung der betrieblichen Organisation des Arbeitsschutzes ab. Ergebnisse und Erkenntnisse aus der Gefährdungsbeurteilung ermöglichen Rückschlüsse auf die Funktionsfähigkeit der Organisation von Sicherheit und Gesundheitsschutz. Oftmals liegen Ursachen für Gefährdungen und gesundheitliche Risiken nicht in den konkreten Arbeitsbedingungen vor Ort, sondern in der betrieblichen Organisation und innerbetrieblichen Kommunikation.
Die Umsetzung von betrieblichen Maßnahmen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes findet in einem dynamischen wirtschaftlichen und sozialen Kontext statt. Hier wirken als Bestandteile der betrieblichen Präventionskultur eine Vielzahl von Faktoren wie z. B. die innerbetrieblichen Strukturen, Prozesse und Programme sowie die Alltagspraxis zusammen. All diese Faktoren können prinzipiell Einfluss nehmen auf die Qualität der Gefährdungsbeurteilung und die damit angestrebte kontinuierliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen.
Darüber hinaus wirken sich vorhandene betriebliche Strukturen für den Arbeitsschutz und insbesondere eine vollständige sicherheitstechnische und betriebsärztliche Betreuung positiv auf die Durchführung und Qualität von Gefährdungsbeurteilungen aus.
Die Schulung von Führungskräften zu Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit sowie das Vorhandensein einer Beschäftigtenvertretung bzw. ganz generell die Partizipationsmöglichkeiten von Beschäftigten an betrieblichen Entscheidungsprozessen wirken sich ebenfalls unterstützend auf die Umsetzung von Gefährdungsbeurteilungen aus.
Weiterhin erhöht sich die Wahrscheinlichkeit und die Qualität von Gefährdungsbeurteilungen, wenn betriebliche Entscheidungsprozesse dem PDCA-Zyklus (Plan – Do – Check – Act; Planen – Umsetzen – Überprüfen – Handeln) folgen. Das Vorhandensein eines Managementsystems im Betrieb hat ebenfalls einen positiven Einfluss auf die Umsetzung von Gefährdungsbeurteilungen.
Für die Ausgestaltung des betrieblichen Arbeitsschutzes und die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung sind nicht nur das Vorhandensein von entsprechenden Strukturen und Prozessen entscheidend. Betriebsleitung, Führungskräfte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Betriebsärzte und Beschäftigtenvertretungen haben vielmehr entscheidenden Einfluss auf die betriebliche Präventionskultur. Sie prägen die betriebliche Einschätzung zur Beherrschbarkeit von Risiken, die Vorstellung davon, was die wirklich relevanten Gefährdungen sind und wie die „richtigen“ Strategien aussehen, ihnen zu begegnen.
Das Muster grundlegender sicherheits- und gesundheitsbezogener Annahmen und Werte der betrieblichen Führungs- und Fachkräfte gibt im Betrieb den präventiven Orientierungsrahmen vor. Dieser bestimmt nicht nur, ob der Betrieb im Arbeitsschutz aktiv wird, sondern wie der Arbeitsschutz ganz allgemein und die Gefährdungsbeurteilung im Besonderen im Betrieb organisiert und umgesetzt werden.
Die Präventionskultur beeinflusst also die betriebliche Organisationsstruktur und die betrieblichen Arbeitsschutzmaßnahmen.